von Bertram Graf v. Quadt

Ja, das Revier, in dem ich hier in der Rheinebene meinen Ausgang habe, heißt tatsächlich so: Muggensturm. Woher der Name kommt – dazu gibt es ein paar Sagen, aber keine ist so wirklich befriedigend. Das Revier dagegen schon: eine reizvolle Streuobstwiesenlandschaft, ein paar eingesprengte Wäldchen, ein kleines Ried. Sauen hat es hier viel, Niederwild auch – weil der Jagdherr sich krummlegt dafür. Rehwild hat es auch, daran hat der „Chef“ aber wenig Interesse, so dass ich mich hier recht frei betätigen kann.
Das Frühjahr lief zäh an. Die Eisheiligen kamen pünktlich, und gefühlt schloss sich die Schafskälte direkt an. Bis der alte Rücksetzer fiel, brauchte es gute zwanzig Versuche morgens und abends, und als es am jenem kalten Morgen doch klappte, da ließ er mir keine zehn Sekunden Zeit. Es war einer der Momente, wo beim ersten Anblick klar ist, dass der Bock passt. Der Schuss war nicht weit, aber der Winkel spitz. Die Kugel ging sauber hinterm Blatt hinein und auf dem Stich raus. Eine kurze Todesflucht in die Brombeeren. Eine lange Totenwacht.

Einige Tage später, bei einer gemeinsamen Autofahrt, kam die Frage von der besten aller Ehefrauen, was wir denn morgen essen wollten. Ich bin bei sowas immer heillos überfordert. „Was Kurzgebratenes?“ – „Gern!“ – „Ich hab frisch den Rücken von dem Bock parat.“ – „Prima!“
Irgendwie war mir der Bock aber zu schade, einfach „nur“ wie üblich mit meinem eigenen Wildgewürz behandelt auf dem Grill zu wandern. Und wir kamen ins Schwelgen: Kreuzkümmel, Koriander, Szechuanpfeffer, Muskat, Zimt – ich habe oft schon Wild nach den Linien der indischen oder fernöstlichen Küche zubereitet. Aber noch nie nach der des Nahen Ostens. Da alles, was mit Lamm geht, mit Rehwild besser geht: warum nicht?
Hummus Kawarma ist normalerweise Lamm in einer zitronenbasierten Marinade auf schönem, cremigem Hummus, auf der Pita zu essen. Klassische Mezze. Aber weil bei der besten Ehefrau von allen bei keinem rezept ein Stein auf dem anderen bleibt – was eigentlich alles nur noch besser macht – gibt es hier auch keine Rezeptur, sondern nur eine grobe Anleitung.

Hummus macht man am besten „from scratch“, also nicht mit Dosenware, sondern brav über Nacht gewässerten und dann erst mal mit Hausnatron angewärmten und anschließend gekochten und pürierten Kichererbsen. Öl, Zitronensaft (gern viel), erstklassiges Tahini. Kreuzkümmel ist ein Kann, kein Muss.
Das Fleisch: den perfekt geputzten Rehrücken auf halbzentimeterstarke Scheiben schneiden. Marinieren mit drei Pfeffern (weiß, schwarz, Piment), Muskat, Zimt, glatter Petersilie, Minze, Zitronenabrieb, etwas Weißweinessig, gutem Olivenöl und dem Geheimmittel meiner Frau. Und das bleibt auch ein Geheimmittel.

Pita backt man am besten selbst. Rezepte dazu gibt es wie Sand am Meer.

Sowie die Pita fertig sind, wird das Fleisch in einem hoch erhitzbaren Öl sehr schnell sehr heiß gebraten, am besten in kleinen Portionen und zimmerwarm. Sonst zieht es Flüssigkeit und wird nicht knusprig.

Das fertige Fleisch stückweise auf oder in die Pita, ein Klecks Humus drüber, ein feiner Salat dazu – der Muggensturmer Bock hat ein würdiges Ende gefunden.

Wer weitere Anregungen zur Küche des Nahen Ostens sucht, dem seien die Bücher von Yotam Ottolenghi wärmstens empfohlen.

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Geständnis des Autors Bertram Graf v. Quadt

Man kann sich gegen schwere erbliche Belastungen nicht wirklich zur Wehr setzen. Damit war die Jagd unausweichlich. Beim Blick in die Generationen gibt es auf weite Sicht keinen männlichen Vorfahr – und nur wenige weibliche – die nicht gejagt hätten. Vater, Mutter, beide Großväter und so weiter und so fort – alles Jäger, und zum Teil hochprofilierte Jäger: der Vater meiner Mutter, Herzog Albrecht v. Bayern, hat die bedeutendste Monographie des 20. Jahrhunderts über Rehwild verfasst („Über Rehe in einem steirischen Gebirsgrevier“) und darin mit viel Unsinn über diese Wildart aufgeräumt. Meine Mutter war an den Forschungen dazu intensiv beteiligt, gemeinsam mit meinem Vater hat sie die Erkenntnisse im gemeinsamen Revier im Allgäu umgesetzt. Nun will und muss aber jeder junge Mensch rebellieren. Ich habe mir dafür aber nicht das jagdliche Erbe ausgesucht, sondern die Schullaufbahn, das nie begonnene Studium, das Ergreifen anrüchiger Berufe (Jurnalist, pfui!) und anderes mehr. Und ich kann im Rückblick sagen: das war die richtige Entscheidung.
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Anmerkungen
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Text und Fotos: Bertram Graf v. Quadt
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