Rezeptvorstellung von Reiner Grundmann
Eglė, das litauische Mädchen, und Zilvinas – der Natternkönig
Inspiriert von diesem alten Litauer Märchen habe ich heute die Kurzversion dazu geschrieben und in unsere Zeit übertragen – hie und da auf meine Weise ein wenig geflunkert – wer mich kennt, weiß, dass ich es nicht lassen kann – und dann gekocht.
Die Zutaten wollten beim Ausschütten aus der Papiertüte partout eine pittoreske litauische Feder-Natter sein, jedoch eher so wie der fabelhafte Pamino, der verliebte Paradiesvogel mit seiner Angebeteten Pamina, aus Mozarts Oper Die Zauberflöte.

„Die Kartoffelecken mit Pfifferlingen aus Litauen waren märchenhaft gut.“

Eglè, die Tanne, die Jüngste von 3 Schwestern ging im Meere baden, auch ihre Schwestern – alle zogen sich aus und sprangen nackt in das grüne Wasser. Als sie zurückkamen und sich ankleiden wollten, war eine Ringel-Natter in Eglès Hemdchen gekuschelt. Die Natter sprach mit menschlicher Stimme zu Eglè.
„Heirate mich, so will ich Dir dein Hemdchen geben.“
Eglè glaubte nicht, dass eine Natter sie heiraten könnte und so gab sie leichtfertig ihr Heiratsversprechen an die Natter. Einige Tage später ratterte eine Kutsche auf den Hof ihrer Eltern, die von Nattern gezogen wurde. Viele, viele, viele Nattern sprangen heraus und der Hof war voll davon, alle verlangten zischend die Braut zu sprechen, dass sie mit ihnen käme, ihr Heiratsversprechen einzulösen.
Eglè war sehr erschrocken und erzählte ihren Eltern von der Begebenheit am Meeresufer.
Diese versteckten sie im dunkelsten Winkel ihres Hauses und putzten eine Gans im Brautgewandt heraus. Die Nattern bemerkten die Finte nicht und nahmen die Gans im Brautkleid mit in der Kutsche zur Hochzeit. Doch ein Kuckuck im Walde verriet den Nattern den Betrug und erbost brachten sie die Gans (ganz, und ohne Röstaromen) zurück.
Nunmehr tauschten die Brauteltern die Gans in ein Schaf, welches einen Schleier trug und vortrefflich designte Stöckelschuhe von Manolo Blahnik
(…die Strümpfe und Strapse für das Schaf fanden sich in der Eile nicht.)
und glaubten, der Betrug fiele nicht auf.
Jedoch – der Kuckuck im Walde verriet alles und lachte beim Anblick des Schafs und wie dumm und blind die Ringelnattern doch sein konnten. Jetzt waren die Nattern richtig wütend und zischten laut und giftig und drohten, bei einem neuerlichen Betrug, das Haus niederzubrennen.
Schweren Herzens sahen die Eltern ein, dass sie ihre Tochter nun herausgeben mussten.
(….ach so funktioniert das – man drohe, das Haus niederzubrennen, dann geht die Tochter freiwillig mit – genau mein Ding.)
So heiratete sie Zilvinas, den Natternkönig auch der „Weidenbaum“ genannt, der sich als durchtrainierter Nattern-Prinz in menschlicher Gestalt mit Sixpack-Bauch entpuppte und lebte glücklich mit ihm auf dem Grund des Meeres. (…Wahnsinn)
Bald jedoch packte sie die Sehnsucht und sie bat, ihre Eltern und Brüder besuchen zu dürfen. Zilvinas wollte sie jedoch nicht gehen lassen und stellte ihr eine Aufgabe. Er schenkte ihr Eisenschuhe und gebot, sie möge diese abtragen, dann dürfe sie zu ihren Erzeugern, jedoch erst, wenn die Eisenschuhe abgetragen sind. (…aber die Dinger wollten und wollten nicht verrosten.)
Da bat sie eine Hexe um Rat und die schickte sie zu einem Schmied, der die Schuhe erhitzte, worauf sie sich hervorragend abtragen liesen. Noch 2 Aufgaben stellte Zilvinas ihr, dann lies er sie ziehen – Er erhob jedoch seinen Finger und sagte:
„Sei aber bis zum Tatort wieder daheim, den schauen wir gemeinsam, dies wird in 9 Tagen sein. Komm hier ans Ufer und rufe mich – wenn die See weißen Milchschaum trägt, so bin ich am Leben und nehme dich mit mir, trägt sie jedoch roten Blutschaum, so bleib bei Deinen Eltern, mir doch egal, dann bin ich tot.“
(In der Geschichte werden dann noch verschiedene Leute ausgepeitscht – die Eiche, die Esche, die Birke, alles Töchter Eglès, weil man herausfinden wollte, wo der mittlerweile verschwundene Vater Zilvinas sei – aber da hab ich drübergelesen, ich steh nicht auf so was – auspeitschen meine ich, dann doch lieber Kartoffelecken mit Pfifferlingen. )
Die Zitternde Espe, auch eine ausgepeitschte Tochter Eglès, verriet es jedoch – man musste nur ans Meeresufer treten und ihn mit Espes Worten rufen, so erschien er auch als weißer Milchschaum. Egle`s Brüder taten so, riefen Zilvinas und schlugen den Milchschaum mit Sensen tot – nach dem Totschlag mit den Sensen der Brüder Eglès war Zilvinas dann nur noch als roter Blutschaum unterwegs.
Eglè entschied sich, nach ihrem Mann zu suchen, und der erzählte ihr aus Meeres Tiefe von Espes Verrat und dem Totschlag durch die Brüder Eglès.
Eglè verwandelte daraufhin alle Töchter in Bäume und sich selbst in eine immerwährend trauernde Tanne.“
Und die Moral von der Geschicht:
„Heirate nicht blind eine Gans, um dann erst herauszufinden, dass sie ein Schaf mit seltsamen Fetischen ist.“
Hör auf den Kuckuck.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
Nach einem alten Litauer Märchen.
Zutaten

800 g stärkehaltige Kartoffeln ( Russet, Désirée oder King Edward)
100 g Mehl, Plus 1 TL zum Bestäuben
1 EL Speisestärke
Salz
2 Eier, leicht verquirlt
50 g würziger Cheddar – Käse, fein gerieben
gemahlener weißer Pfeffer
1 Prise frisch geriebene Muskatnuss
80 g weiche Butter
½ Stange Lauch, nur der weiße Abschnitt, gehackt.
150 g Pfifferlinge, geputzt gesäubert und die größeren halbiert.
200 g Schlagsahne
ein ½ TL gehackter Schnittlauch zum Servieren
Eine Sonderzutat für mich, abweichend vom Rezept, waren noch 2 gehackte Knoblauchzehen
Ich bin mit Verlaub, ein barocker Mensch – ich beschränke mich nicht willkürlich auf ein- oder zwei Esslöffel Schnittlauch. Bei mir fliegt er verschwenderisch aus voller Hand auf das russisch-litauische Festmahl – wie so vieles.
Zubereitung
Die ungeschälten Kartoffeln gab ich in einen Topf mit kochendem Wasser, garte sie in 25 Minuten durch, schüttete sie durch ein Sieb und lies sie abkühlen.


In dieser Zeit vermengte ich in einer großen Schüssel Mehl, Speisestärke, einen ¾ TL Salz, 2 gequirlte Eier, weichen Cheddarkäse, den ich mit den Fingern zerdrücken konnte zwei sehr kräftige Prisen weißer Pfeffer und frisch geriebene Muskatnuss. Das Kochbuch schreibt hier nix von wegen Kartoffeln – bezeichnet aber später dann das Ergebnis aus dem gebackenen Teig als Kartoffelecken.
Also habe ich an dieser Stelle die Patates aus dem Sieb genommen, geschält und mit dem Teig zerdrückt und vermengt.


1 großes Backblech belegte ich mit Backpapier, rollte den Kartoffelteig auf einem bemehlten Holzbrett ca. 6 x 10 cm aus und drückte ihn etwas flach.
Diese Rolle schnitt ich jetzt einfach etwa im 45° Winkel in Rauten, die mir mangels Übung aber unterschiedlich gelangen. Bemehlt und mit Butter darauf verstrichen schob ich sie auf dem Backblech mit dem Backpapier für 30 Minuten in den 200 Grad heißen Ofen, wo sie jedoch auch unterschiedlich aufgingen.

Das tat dem Geschmack jedoch keinen Abbruch.
Eine Sauce war rasch gezaubert.
30 bis 50 g Butter schmolzen in einer Pfanne und ich lies Knoblauch und Lauch darin glasig dünsten – ca. 5 Minuten sagt das Rezept. Die Pfifferlinge gab ich dann hinzu und lies sie 1 – 2 Minuten mitbraten – mit Sahne wurde abgelöscht und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt.
2 Minuten soll alles unter Alufolie ruhen, dann wird serviert, einzeln oder zusammen auf einem großen Teller und mit Schnittlauchröllchen garniert.
Das Glück liegt oft in der Einfachheit der Dinge; in einem Märchen aus Litauen, diesen Kartoffelecken mit Pfifferlingen – den Königen des Waldes, und in dem nussigen Geschmack der Pilze.
Ich bin überzeugt die Natternprinzessin Eglè, die traurige Tanne, hatte sie auch auf ihrem Hochzeitsteller.
Vielleicht hat sie ja, wie ich, am Schluss noch fleur de sel darauf – aus der Ostsee versteht sich.

Nussig, tolle Textur, Pilze nicht verkocht.
Skanaus – Köstlich

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KRAUTJUNKER-Rezensent und Blogger Reiner Grundmann:
Reiner, geboren 1962 da, wo der Lebkuchen und die Rostbratwust mit Sauerkraut und Brot herkommt. Nürnberg, Mittelfranken in Bayern. Nirgends gibt es eine so hohe Brauereidichte, wie da. In seiner Baby-Milchflasche war trotzdem kein Bier, was er seinerzeit nicht als Verlust empfunden hat. Als ausgewachsener Franke würde er das heute anders sehen. Bevor er für KRAUTJUNKER kochte, war er Protokollführer beim Amtsgericht Fürth und bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg in Jugendstrafsachen und Ehescheidungen, Personalgefreiter bei der Luftwaffe, Holzhändler, Buchautor, Fluglehrer, Pilot für Geschäftsreiseflüge (23 Jahre und 6500 Flugstunden lang), auch Lieferant von Frühstücksbrötchen und Aufsichtspersonal beim 1. Fussballclub Nürnberg.

Geflogen ist er eigentlich überall. Europa, Russland, USA. Wo er hingekommen ist hat er, wie die alten Chinesen – alles probiert und gegessen, was essbar aussah. Und gekocht hat er irgendwie auch schon immer. Am liebsten für schöne Frauen, wenn es denn auch dann oft nur beim Essen und das Schlafzimmer eine verkehrsberuhigte Zone blieb, „fast a su schäi wäi der obere Marktplatz in Laff.“
Seine ersten Rezepte stammten aus dem Roman um den Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven, alias Jean Leblanc, alias Pierre Hunebelle, Es muss nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel.
Reiners Motto lautet: „Reisender, wenn du nach Franken kommst wisse, dass du nicht mehr in Deutschland bist – aber auch noch nicht in Bayern!“
Besucht Reiners Blog!
https://foodartandcircumstances.wordpress.com/
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Die baltische Küche – Eine kulinarische Reise durch Estland, Lettland und Litauen
Autor: Simon Bajada
Verlag: Dorling Kindersley Verlag GmbH (27. Januar 2020)
Verlagslink: https://www.dorlingkindersley.de/buch/simon-bajada-die-baltische-kueche-9783831039524
ISBN: 978-3-8310-3952-4
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Erster Beitrag aus dem Buch: https://krautjunker.com/2020/04/13/baltische-kuche-lamm-mit-bier-und-honig/
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