TEUBNER Messer

Buchvorstellung

Zwei erschütternde Ereignisse brachten mich dazu, mich mit der Kunstform Küchenmesser zu beschäftigen:

Zuerst erfuhr ich in einem Fernsehbeitrag, dass japanische Köche im ersten Jahr ihrer langen Ausbildung nur schneiden lernen. Was ist denn schon am Schneiden dabei? Kann das so kompliziert sein? Mir hat nie jemand das Schneiden beigebracht. Mir wurde ein mehr oder minder (meist minder) scharfes Messer in die Pfote gedrückt und dann fing ich an zu schneiden, zu säbeln, zu sägen und zu hacken. Manchmal auch in die eigene Pfote („Faules Fleisch muss weg!“). War das Messer stumpf, drückte ich mehr auf die Klinge. So erlag ich der trügerischen Eitelkeit ganz instinktiv so männlich zu schneiden, wie es bei Herzog Widukinds Stamm genetisch angelegt ist, zu dessen erlauchten Kreis ich anzugehören die Ehre habe.

Dies war ein überheblicher Irrtum, wie ich bald erfahren musste und zu dem zweiten Auslöser führte. Eine Hausfreundin, Henrike P. aus Dortmund, ungefähr anderthalb Meter groß und leichter als ein Sack Kartoffeln, belehrte mich beim gemeinsamen Kochen höhnisch gackernd, ich würde wie ein Mädchen schneiden! Instinktiv fasste ich den Griff fester und spielte mit dem Gedanken, ihr die Klinge spontan zwischen die Rippen zu stoßen, um meine Küchenbullenehre wieder herzustellen.

Drei Fakten ließen mich innehalten:

  1. Wer schon jemals einen lästigen Gast in der Küche abgestochen hat, weiß welch erstaunliche Menge an Blut aus einem menschlichen Körper austreten kann und was für eine Arbeit es ist, alles wieder sauber zu bekommen. Tatortreiniger zu sein ist ein mieser Job.
  2. Die Nachbarn werden misstrauisch, wenn schon wieder ein frischer Erdhaufen im Garten aufgeworfen wird. Im Sommer kann ich auch niemanden weiß machen, dass hier ein Spargelbeet entsteht. Hinzu kommt, dass es immer noch unter dem Oleander müffelt, wo der Steuerprüfer neben dem uneinsichtigen Briefträger liegt, der nicht aufhören wollte, Rechnungen zuzustellen.
  3. Frau und Tochter haben Henrike auf die gleiche Art ins Herz geschlossen, wie eine liebenswerte dreibeinige Töle aus dem Tierheim. Und kein Mann, der bei Verstand ist, legt sich mit den weiblichen Mitgliedern seiner Familie an. Beängstigend genug, dass mir immer noch meine künstlerische Leiterin Melissa K. aus M. grollt. Eine Frau die in ihrem gerechten Zorn an einen Südseevulkan erinnert, dem zu lange kein Menschenleben mehr geopfert wurde. Also Vorsicht mit den Frauen, wer die Formulierung vom schwachen Geschlecht erfand, hatte einen grausamen Sinn für Humor oder nie in die flackernden Augen einer Frau geschaut, deren Lieblingsschuhe er zuvor ruiniert hatte.

Obwohl wir Ostwestfalen zu Recht als die Brasilianer Deutschlands gelten, zügelte ich daher mein wildes Temperament und beschloss mir Wissen über das Schneiden anzueignen, um meine Ehre wieder herzustellen. Wie ich es gewohnt bin, suchte ich dazu Anleitung in Büchern und da gehören die TEUBNER-Bände zur ersten Wahl, wenn ich den Kaufpreis verdränge. Sie sind für mich Bibliophilen das gleiche, wie Möbel von Rolf Benz für meine Frau: „Made in Germany“ wie man es sich vorstellt. Hochwertig verarbeitet, zeitlos ästhetisch gestaltet, absolut durchdacht und von einer emotionslosen Sachlichkeit. Der skurrile Witz eines Fergus Hendersons oder der leider eingestellten kulinarischen Kampfschrift Häuptling Eigener Herd, ist etwas, das den Bänden abgeht. Es würde wahrscheinlich aber auch nicht zum Stil der Reihe passen.

Der Inhalt des Buches Messer besteht ungefähr zur einen Hälfte aus Beiträgen zu Messern („Messerscharf“) und zur anderen aus Rezepten („Messer in Aktion“). Es beginnt mit der Vorstellung europäischer Messermetropolen und einer Reportage über eine Solinger Messerschmiede. Anschließend schwenkt der Fokus auf Japan um, wo eine ganz andere Kultur von Klingen und Schnitttechniken gepflegt wird und die Mehrheit der Messernutzer immer noch handwerkliche Schmiedekunst bevorzugt.

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Wie übrigens der ganze Band großartig illustriert, werden anschließend die verschiedenen Arten von europäischen und japanischen Küchenmessern vorgestellt.

Nach einer weiteren Reportage über us-amerikanische Messerschmieden folgt Wissenswertes zur Kaufentscheidung, über Schneidbretter, die Aufbewahrung von Messern und vieles weitere. Besonders erhellend fand ich die Beiträge über Amateure, die in traditionellen Schmieden ihre eigenen Messer herstellen, über Jagdmesser und vor allem darüber, weswegen der Schnitt den Geschmack beeinflusst. Eine Thematik, von der ich bisher so gut wie nichts wusste und die mich umso mehr fasziniert.

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Die zweite Hälfte des Buches, die sich Rezepten widmet, wird durch renommierte Köche geprägt, die ihre 30 Schneidetechniken anhand ihrer Rezepte erklären und die Beziehungen zu ihren Messern offenbaren. Von einigen, wie Tim Raue („Ich schneide heute mit Bedacht und Ruhe“) finden sich auch Interviews. Die Kapitel beginnen mit einem Beitrag über das Schneiden von Zwiebeln, der passenden Messerempfehlung und dem Rezept „Schalottenkonfitüre und Zwiebel-Chutney“. Die Schneide- und Rezeptthemen befassen sich mit allen Arten von europäischen und japanischen Nahrungsmitteln. Schon mal was vom „Hirazakuri-Schnitt“ für Sashimi gehört? Nein? Nachlesen, Banause! Viele der illustrierenden Fotos sind zum Niederknien schön und regen dazu an, selbst eine handgeschmiedete Meisterklinge in die Hand zu nehmen, um Obst zu schnitzen, eine Rehschulter auszulösen oder am besten einen vier Meter langen Thunfisch zu filetieren.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

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Verlag: Teubner, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH

ISBN-13: 978-3833838460

Verlagslink: http://www.gu.de/buecher/teubner/solitaere/731226-teubner-messer/

6 Kommentare Gib deinen ab

  1. Jasmin sagt:

    Wow, wirklich brilliant geschrieben! Das Buch ist anscheinend echt eine Überlegung wert. 😉

    Gefällt 1 Person

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