Wolf, Luchs und Bär in der Kulturlandschaft – Konflikte, Chancen, Lösungen im Umgang mit großen Beutegreifern

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Buchvorstellung von Beate A. Fischer

Der vorliegende Band bietet eine Fülle von Informationen über die großen Beutegreifer Wolf, Bär und Luchs und legt bei seinen Betrachtungen einen Schwerpunkt auf Deutschland, Österreich und die Schweiz. Marco Heurich ist ein renommierter Wildtierökologe, der mit seinen Kollegen sehr kenntnisreich vertiefte Kenntnisse über die Biologie, Verhalten und Ökologie dieser Tiere vermittelt.

Der Wolf wird in seiner Entstehungsgeschichte, seinen physischen Leistungen, sein Sozialverhalten, seiner Aufzucht der Welpen, im Rudelverhalten, der Kommunikation sowie Verbreitung in Mittel- und Osteuropa detailliert beschrieben. Ebenso werden Luchs und Bär in ihren Lebensräumen und Verhalten beschrieben. Faszinierende Fotos begleiten den Text.

Abb.: Buch abfotografiert; Bildquelle: Beate A. Fischer

Der erste Teil des Buches schließt mit den Auswirkungen des Vorkommens der Beutegreifer auf die anderen Tiere im Ökosystem. Es unterscheidet zwischen den letalen Effekten, sprich der Reduktion der Beutetiere durch die Beutegreifer und den Verdrängungseffekten. Potentielle Beutetiere ziehen sich in andere Regionen zurück oder verändern ihr Sozialverhalten, werden heimlicher oder die Sprünge und Rudel vergrößern sich. Beim Schwarzwild haben mir Jäger in Wolfsgebieten berichtet, dass die Rotten größer werden und teilweise auch aggressiver reagieren.

Der zweite Teil des Buches widmet sich dem Management der großen Beutegreifer. Die Einflussfaktoren und Parameter, die auf das Wildtiermanagement einwirken, werden beschrieben. Hier wird das Buch sehr akademisch. Die Strukturen des Wildtiermanagements, sprich die dahinter liegende Bürokratie, werden im Zusammenspiel von NGOs, Behörden und ministerialen und europäischen Vorgaben dargestellt.

Spannend ist der Beitrag  über den sozio-kulturellen Rucksack dieser Arten. Es beschreibt die Vorstellungen in der Bevölkerung über diese Arten und wie diese Vorstellungen durch veränderte Darstellung in den Medien und über Veranstaltungen der Wissenschaftler und NGOs verändert werden sollen. Positive Assoziationen mit den in der Geschichte als aggressive Beutegreifer belegten Wildtieren werden entwickelt, der Mythos der weisen alten Wolfsmutter oder der Darstellung des Luchses als niedliche Katze mit den Pinselohren soll Einstellungen verändern.  

Wolf, Luchs und Bär in der Kulturlandschaft – Konflikte, Chancen, Lösungen im Umgang mit großen Beutegreifern

Sehr ausführlich werden verschiedene Monitoringmethoden aus wissenschaftlicher Sicht dargestellt. Die Verbreitung, die Populationsgröße, die Demografie, der Populationstrend sowie die Gesundheit und Genetik werden beobachtet und nachverfolgt. Fotofallen und Sichtungen werden ebenso herangezogen wie auch Spuren, Risse, Kot und Haare.

Wolf, Luchs und Bär in der Kulturlandschaft – Konflikte, Chancen, Lösungen im Umgang mit großen Beutegreifern

Am Ende werden die Konfliktfelder zwischen den Beutegreifern Jägern bzw. Landwirten beleuchtet. Vor allem dieser letzte Teil hatte mich als Jägerin und Nutztierhalterin interessiert. Ich bin offenen Herzens an dieses Buch herangegangen und leider geht hier mein Unbehagen mit diesem Buch los. Nein, Esel, Herdenschutzhunden und immer mehr und höhere Zäune schützen Schafe, Kälber und Ponys nicht ausreichend. Ausgleichszahlungen aus Steuergeldern retten die Weidetierhaltung nicht und Wolfsbeauftragte, die Nachbars Hund den Riss von 40 Schafen zuschreiben, schaffen keine Akzeptanz für den Wolf im ländlichen Raum. Der Wolf bedroht die natürlichen Weidetierhaltungen auf den Almen und Deichen. Feste, wolfssichere, elektrische Zäune sind keine Option für die Beweidung von großen Dauergrünlandflächen und schwer zugänglichen Almen.

Herdenschutzhunde sind erst nach ca. zwei Jahren Ausbildung einsatzbereit und ihr Schutzinstinkt lässt sie die Herde nicht nur gegen Wölfe verteidigen sondern sie reagieren auch aggressiv gegenüber Kindern, die die Schafe knuddeln wollen oder den Hauspfiffi der unter dem Zaun durchmacht. Herdenschutzhunde sind für die dichtbesiedelte Kulturlandschaft mit allerlei unterschiedlichen Naturnutzern keine flächendeckende Option.

Wölfe haben Zäune von über zwei Metern überwunden. Die im Buch abgebildeten Zäune kann jeder größere Hund ohne weiteres überwinden. Der vorgeschriebene Abstand zum Boden ist auf natürlich bewachsenen Flächen ist nur mit Netzzäunen einzuhalten, die jedoch die erforderliche Höhe nicht erreichen und zum Einzäunen großer Schläge wegen hoher Kosten und großem Gewicht nicht taugen.

Staatliche Kompensation scheitert für die betroffenen Nutztierhaltern in der Praxis, an den Wolfsbetreuern, die die DNA am gerissenen Tier nicht eindeutig dem Wolf zuordnen können, weil der Hofhund dran geleckt hat und an materiell und personell derartig aufwändigen Vorgaben an die Herdenschutzzäune, dass eher Risse in Kauf genommen werden, als kilometerweit Zäune zu setzen, die dann doch als nicht ausreichend dargestellt werden.

Der Aussage der Wolf wäre die als Gesundheitspolizei im Wald, kann ich nur mit der Aussage kontern, es ging hundert Jahre auch ohne ihn. Nein, ich bin nicht bereit meine Jagdbeute mit dem Wolf zu teilen. Der Wolf hegt nicht, der Wolf tötet das Tier, welches er greifen kann.

Der Luchs wurde im Harz – nach Aussage des Buches – mit dem Einverständnis der Jäger angesiedelt, hilft aber vor allem dem »klimaneutralen Waldumbau«, in dem er das Rehwild dezimiert und beim Rotwild so brachial in die Jugendklasse eingreift, dass man sich um den Erhalt und die genetische Vielfalt sorgen muss. Die Bestände des Muffelwildes, welches historisch aus dem Mittelmeerraum in Mitteleuropa angesiedelt wurde, können in Deutschland als gefährdet eingestuft werden. Als Wildschafe sind sie in Wald und Feld dem schnellen Beutegreifer Wolf schutzlos ausgeliefert. Größere Bestände vor allem in der Lüneburger Heide sind fast vollständig Opfer von Wolfsrissen geworden. In Brandenburg, an der polnischen Grenze sieht die Lage nicht viel anders aus.   

Das letzte Kapitel widmet sich dem Risiko, welches von den großen Beutegreifern für den Menschen ausgeht. Dabei wird in den statistischen Darstellungen deutlich, dass immer dort, wo Wildtiere die Scheu vor dem Menschen verloren haben, die Gefahren am größten sind. Anfüttern von Wölfen durch Spaziergänger und fehlende Vergrämung im Rahmen von jagd- und landwirtschaftlicher Nutzung, haben die Gefahr des Übergriffs auf Menschen, gerade dort, wo die Populationen am stärksten wachsen, erhöht. Die Autoren raten in den Fällen, in denen die Gewöhnung an den Menschen zu groß wurde oder die Risse von Nutztieren überhandnahmen, zum Abschuss. Der Luchs scheint von allen betrachteten Prädatoren, die geringsten Probleme im Zusammenleben mit den Menschen zu machen. Dies kann auch an der geringen Anzahl der Tiere und den begrenzten Lebensraum im Vergleich zum Wolf liegen. Insbesondere beim Bären, der in Deutschland bisher nicht vorkommt, scheint die Vergrämung oder die Umsiedlung in Südtirol und der Schweiz die wesentliche Präventionsmaßnahme gegen auffällige Tiere zu sein.

Im Nachwort gehen die Autoren auf die Konfliktfelder zusammenfassend nochmals ein und erkennen, dass insbesondere die extensive Grünlandnutzung in bäuerlichen Familienbetrieben am stärksten unter den Schäden zu leiden hat, die durch große Beutegreifer verursacht werden. Die intensiven Agrarindustriebetriebe mit Stallhaltung der Nutztiere sind kaum tangiert. Diese Erkenntnis versöhnt mich mit der über weite Teile naiven Haltung des Buches zu Schutzmaßnahmen für Nutztiere in Weidehaltung.

Zusammenfassend ist das vorliegende Werk ein spannendes Lesebuch für alle, die sich wissenschaftlich basiert den mit großen Beutegreifern und ihren Lebensgewohnheiten auseinandersetzen möchten. Es werden die aktuell angewandten Schutz- und Präventionsmaßnahmen und die gängigen Management- und Monitoringansätze vorgestellt. Hilfreich ist es auch für Jäger und Landwirte, die mit Wolf und Co. im ländlichen Raum zu tun haben. Es sei auf das Zusatzmaterial im Internet hingewiesen, dass umfangreiches Wissen zur Rissbewertung, Monitoring von Beutegreifern etc. bereithält und auch weitere aktuelle Forschungsergebnisse zur Verfügung stellt.     

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Die Autoren

Franziska Bauer, B. Sc., studiert Wildtierbiologie und -management an der Universität für Bodenkultur in Wien. In ihrer Masterarbeit beschäftigt sie sich mit dem Braunbär-Mensch-Konflikt in Kärnten (Österreich). Ihren Bachelor in Biologie erwarb sie an der Universität Wien. Ihr Studium ergänzte sie durch Studienaufenthalte im Nationalpark Bayerischer Wald, im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel sowie in Indonesien (Java).
> franzi_bauer@hotmail.com

PD Dr. Marco Heurich arbeitet als Sachgebietsleiter für Besucherlenkung und Nationalparkmonitorung bei der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald in Grafenau. Er ist Privatdozent für Wildtierökologie und Naturschutzbiologie an der Professur für Wildtierökologie und Wildtiermanagement der Universität Freiburg. Er ist Autor von mehr als 160 begutachtenden Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften und hat vier Bücher veröffentlicht. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er mit dem Lennart-Bernadotte-Preis ausgezeichnet.
> Marco.Heurich@wildlife.uni-freiburg.de

Magdalena Kulisch schloss ihr Studium der Biologie an der Universität Köln mit dem B. Sc. ab, den M. Sc. in Forest and Nature Conservation erwarb sie an der Wagingen Universität in den Niederlanden. Als Projektleiterin bei der Stiftung EuroNatur betreut sie von Radolfzell am Bodensee aus eropaweit Projekte zum Schutz von Wolf und Mönchsrobbe.
> lenakulisch@gmail.com

Daniel Mettler studierte Philosophie und Volkswirtschaft an der Universität Freiburg. Sammelte in fünf Alpsommern Erfahrungen mit diversen Tiergattungen. Seit 2004 Aufbau und Leitung der Fachstelle Herdenschutz bei der Vereinigung für die Entwicklung der Landwirtschaft und des Ländlichen Raums (AGRIDEA) in Lindau (Schweiz). Arbeitsschwerpunkte: Beratung und Weiterbildung in den Bereichen Alpwirtschaft und Regionalentwicklung. Verfasser zahlreicher Publikationen zum Herdenschutz für Beratung und Verwaltung.
> Daniel. Mettler@agridea.ch

Prof. Dr. Ulrich Schraml leitet an der FVA Baden-Württemberg die Abteilung Wald und Gesellschaft. Hier ressortiert neben einer sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe auch der Arbeitsbereich, der das Luchs- und Wolfsmanagement des Landes durchführt. Ulrich Schraml lehrt an der Universität Freiburg Waldpolitik und Wildtiermanagement. Er moderiert seit vielen Jahren Arbeitsgruppen, die sich mit dem Management von großen Beutegreifern befassen.
> Ulrich.Schraml@forst.bwl.de

Jochen Schumacher, Ass. jur., studierte Rechtswissenschaften in Gießen und Tübingen. Er ist Geschäftsführer des Instituts für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-) rechtliche Problemstellungen aufweisen. Jochen Schumacher ist Autor zahlreicher Publikationen zum Naturschutzrecht.
> jochen.schumacher@naturschutzrecht.net

Dr. Michaela Skuban lebt seit 2006 in der Slowakei, wo sie sich mit dem Verhalten der Braunbären und ihrem Konfliktpotenzial im Zusammenleben mit uns Menschen widmet. In ihrer Doktorarbeit untersuchte sie den „Einfluss des Menschen auf das Bärenverhalten“. Neben ihren Forschungen zum Braunbären arbeitet sie zu Herdenschutzhunden, Rothirschen und zum Migrationsverhalten großer Säuger. 2011 Publikation eines Buches über Bären, in dem sie auch deren Rolle in Mythologie und Märchen untersucht.
> mskuban_cws@gmx.net

Ulrich Wotschikowsky studierte Forstwissenschaften. Nach Stationen im Wildtiermanagement des Nationalparks Bayerischer Wald und als Redakteur der Zeitschrift Jäger war er von 1983 bis 2000 Projektleiter bei der Wildbiologischen Gesellschaft München. 1992 und 1993 Teilnahme am Wolfsforschungsprojekt Finlayson im Yukon. Zuletzt Mitarbeiter am Wolfsmanagement in Sachsen und Brandburg. Er ist Mitgliedder AG Große Beutegreifer in Bayern und der Large Carnivore Initiative for Europe und betreibt seit 2014 die Internetseite www.woelfeindeutschland.de.
> wotschikowsky@t-online.de

Constanze Tenhaeff, B. Sc., studiert Forstwissenschaften im Masterstudiengang an der Universität Freiburg und Master of Environmental Management an der University of New Brunswick. Ihren B. Sc. schloss sie in Waldwirtschaft und Umwelt an der Universität in Freiburg ab. Ihr Studium unterlegte sie mit Studienaufenthalten im Nationalpark Bayerischer Wald, im Grasslands National Park und im Cape Breton Highlands National Park.
> conny-tenhaeff@t-online.de

Dr. Fridolin Zimmermann ist Wildtierbiologie und hat über die Erhaltung und Ökologie des Eurasischen Luchses promoviert. Er arbeitet seit über 20 Jahren bei der Stiftung Raubtierökologie und Wildtiermanagement (KORA) in Muri. Dort koordiniert er das Monitoring großer Beutegreifer in der Schweiz. Daneben vermittelt er in Seminaren Praxiswissen in Biologie, Ökologie und Monitoring großer Beutegreifer. 2016 Publikation eines Buches über den Einsatz von Fotofallen in der Wildtierforschung.
> f.zimmermann@kora.ch

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KRAUTJUNKER-Köchin Beate A. Fischer:

Beate A. Fischer, geboren 1973, Jägerin seit 7 Jahren, Hundeführerin – verliebt in einem Vizsla sowie Co- und Stiefmutter eines Fox, schießt leidenschaftlich gern Jagdparcour und Flugwild, außerdem hat sich die afrikanische Sonne in ihr Herz gebrannt. Sie lebt im kühlen Nordfriesland auf einem Resthof, arbeitet als Rechtsanwältin und schreibt manchmal auch mal andere schöne Texte. 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Wolf, Luchs und Bär in der Kulturlandschaft – Konflikte, Chancen, Lösungen im Umgang mit großen Beutegreifern

Herausgeber: Marco Heurich

Verlag: Verlag Eugen Ulmer

Verlagslink: https://www.ulmer.de/usd-5761419/wolf-luchs-und-baer-in-der-kulturlandschaft-.html

ISBN-13 : 978-3818605056

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Der Wolf hatte seine Zeit in Deutschland. Seine unbeschränkte Verbreitung in unserer Kulturlandschaft zuzulassen ist in meinen Augen Tierquälerei. Quälerei für den Wolf, der nicht wirklich natürlich leben kann, und für unzählige Weidetiere, Haustiere und den ‚Beutetieren‘, welche erst wieder lernen müssen, mit dieser Bedrohung zu leben. Als ob es im Wald nicht schon genug Stress geben würde. Unendlich viel Leid auf allen Seiten. Von den Kosten will ich gar nicht erst anfangen.

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