Rezeptvorstellung von André Brüggemann
In einer Beurteilung des Buches Best of Wild von Karl-Josef Fuchs heißt es: „Dieses Kochbuch ist in erster Linie eine Rezeptsammlung mit schönen Bildern im Stil der 90er Jahre“. Die 1990er Jahre – was war da nochmal los? Filme wie Der mit dem Wolf tanzt oder Forest Gump gewinnen Oskars, in der Mode dominieren u.a. Plateau-Sneaker, die (Haus-)Tierwelt wird belebt durch die Diddl-Maus und das Tamagotchi. In der Musik gibt es so viele Strömungen, dass man sie gar nicht aufzählen kann, und beim Essen … Raider wurde in Twix umbenannt, wer etwas Angesagtes zum Party-Buffet mitbringen wollte, hat Tomate-Mozzarella-Salat mit dunklem Balsamico gemacht und in die Restaurantszene und Supermärkte schwappt die Internationalisierung in Form von Asia-Food. Und der eingangs erwähnte Vergleich der 1990er Jahre mit dem neuen Kochbuch von Karl-Josef Fuchs aus dem Jahr 2020? Keine Ahnung. Er stammt jedenfalls von einem Jurymitglied des Deutschen Kochbuchpreises. Die anderen Jurymitglieder waren deutlich positiver, immerhin hat Karl-Josef Fuchs mit seinem Buch den zweiten Platz in der Kategorie Wild belegt. Dass es „nur“ der zweite Platz ist stimmt ihn vermutlich nicht traurig, denn den ersten hat seine eigene Tochter Viktoria mit ihrem neuen Kochbuch inne.

Das Buch enthält Rezepte für die üblicherweise in deutschen Revieren vorkommenden Wildarten. Neben Klassikern wie Wildschweinkeule oder Gänsebraten finden sich auch Rezeptideen in Richtung Surf´n´turf wie Fasanenbrust auf Pulpoterrine oder gebratene Wachteln mit Calamaretti sowie zur in letzter Zeit aufgekommenen „from nose to tail“-Philosophie.
Gegliedert ist das Buch nach den Wildarten sowie separaten Kapiteln zu Fisch, Süßem und Grundsaucen. Jeweils auf einer Doppelseite findet sich das Rezept mit einem großformatigen Foto. Innerhalb der Kapitel liegt es an dem Leser, sich hinsichtlich Vor- und Hauptspeisen oder verwendbaren Teilstücken zu orientieren.
Auf der Suche nach einer Vorspeise bin ich auf Carne crudo mit Staudensellerie und Parmesan * gestoßen. Beef Tatar ist allgemein bekannt; nach der Legende geht es auf das Reitervolk der Tataren zurück, die angeblich rohe Fleischstücke unter ihren Sätteln mürbe geritten haben.

Das Gericht von Karl-Josef Fuchs erinnert jedoch weniger an kämpfende Reitervölker sondern durch seine mediterrane Leichtigkeit an Urlaub und la dolce vita, und wie bei vielen italienischen Vorspeisen ist die Zutatenliste mit nur sechs Bestandteilen eher kurz.

Zunächst werden aus Staudensellerie die Fäden entfernt, anschließend wird er in dünne Scheiben geschnitten und in Olivenöl mit Zitronensaft mariniert.

Dann wird gekühltes Reh- oder Hirschfleisch mit dem Messer fein geschnitten. Im Rezept wird ein Fleischwolf genommen. Ich gebe ehrlich zu, wegen des hohen Reinigungsaufwandes bei meinem Fleischwolf hatte ich dazu wenig Lust, außerdem hat das Fleisch mit dem Messer noch etwas mehr Struktur, was mir ganz gut gefällt. Gekühlt deshalb, da „Hackfleisch“ wegen seiner relativ größeren Oberfläche anfällig für Keime ist und nicht nur grau wird sondern auch schnell verdirbt, so dass eine Kühlung bzw. schneller Verzehr notwendig ist.

Das fein gewürfelte (oder gewolfte) Fleisch wird nur auf einem Teller angerichtet und mit Salz sowie Pfeffer gewürzt. Darüber werden die Selleriescheibchen gestreut und das Ganze mit dem Dressing beträufelt. Schließlich noch Parmesan drüber hobeln – fertig ist eine fantastische mediterrane Vorspeise aus Wild.

Karl-Josef Fuchs selbst bereitet sie für vier Personen folgendermaßen zu:
600 g Reh- oder Hirschfleisch
Salz, Pfeffer
200 ml Olivenöl
200 g Staudensellerie mit Grün
Zitronensaft
100 g Parmesan
Das parierte, gekühlte Fleisch durch die feine Scheibe des Fleischwolfs drehen.
Jeweils 150 g auf die Teller verteilen.
Mit einer Gabel flach drücken, mit Salz und Pfeffer würzen und mit Olivenöl marinieren.
Staudensellerie waschen, putzen, die Fäden dabei sorgfältig entfernen und in sehr feine Scheiben schneiden. Die Sellerieblätter in feine Streifen schneiden. Diese mit dem restlichen Olivenöl und etwas Zitronensaft marinieren.
Die Selleriescheiben auf dem Fleisch anrichten und mit gehobeltem Parmesan und den Sellerieblätter-Streifen garnieren. Sofort servieren, sonst wird das Fleisch durch die Säure des Zitronensaftes grau.

London/Hohenstein
- KRAUTJUNKER-Kommentar: Wie mir freundlicherweise die Romanistin (auch Anglistin) und Übersetzerin sowie Dolmetscherin Barbara Fohrer mitteilte, heißt es nicht „Carne Crudo“, sondern „Carne Cruda“. Ihre Begründung: „Carne“ ist feminin (nicht umsonst, denn bekannterweise wird es oft schwach…..) und das Adjektiv richtet sich in romanischen Sprachen in Geschlecht und Zahl nach dem Substantiv.
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Koch und Kochbuchautor und Jäger Karl Josef Fuchs vom Restaurant Spielweg
Karl-Josef Fuchs, seines Zeichens Wildexperte, führt in der fünften Generation das Romantik-Hotel Spielweg im Münstertal. https://spielweg-shop.com/

Der Fernsehregisseur und Journalist Lutz G. Wetzel schreibt über seinen Jagdfreund Karl-Josef Fuchs:
»Ein Küchen-Künstler, der nicht viel Aufhebens um seine Person macht und der ständig nach der perfekten Zubereitungsart für eine Fleischsorte sucht, der oft in den Details eines neuen Rezepts versunken ist und dem nur Ehefrau Sabine wichtiger ist als Küche, Käse und Jagd. Ein unvergesslich würziges Schäufele vom Wildschwein. Eine optimal zartrosa Rehkeule. Ein Hirschkalbsfilet mit irgendeinem Wahnsinn kombiniert, dass man vorher sagt: Das kann nicht schmecken. Aber dann ist es eine Aromenexplosion am Gaumen. Entsprechend schmachtende Komplimente nimmt Karl-Josef Fuchs eher beiläufig hin. Er muss schon lange niemandem mehr etwas beweisen, ignoriert bewundernswert gelassen den schwitzend aufreibenden Kampf der Kollegen um Sterne, Kochmützen und Kochlöffel und verschwendet kein millionstel Gramm Ehrgeiz an Türmchen aus Jakobsmuscheln und Zitronengras: Eine gute Rehbratwurst, eine saftige Wildenten-Terrine, ein zünftiger Wildschwein-Sauerbraten sind die Sternstunden, die seine Gäste mit ihm feiern.
Karl-Josef Fuchs hat als Leuchtturm der deutschen Wildküche viele treue Fans und nur wenige Schönwetter-Bewunderer. Mit seinen häufig ausgebuchten Koch-, Wurst- und Grillkursen hat er dem Wildbret einen völlig neuen Stellenwert verschafft: Früher war der Rehrücken, die Wildschweinkeule und der Feldhase nur ein Festtagsbraten, inzwischen sind sie ein selbstverständlicher Bestandteil in deutschen Küchen geworden.«
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KRAUTJUNKER-Rezensent André Brüggemann:

Dr. André Brüggemann ist passionierter Jäger, Hundeführer und Jagdhornbläser sowie begeisterter Hobbykoch und Genießer. Aufgrund seiner Tätigkeit als Steuerberater in eigener Kanzlei bleibt ihm dazu allerdings weniger Zeit, als ihm lieb wäre.
https://www.sdb-hameln.de/
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Anmerkungen

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Titel: WILD – Best of Wild & mehr
Autor: Karl-Josef Fuchs
Verlag: Tre Torri Verlag
Verlagslink: https://tretorri-shop.de/WILD-Best-of
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Mehr von Karl-Josef Fuchs: https://krautjunker.com/?s=Karl-Josef+Fuchs
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Bereits aus dem Buch veröffentlichte Rezepte:
https://krautjunker.com/2021/02/15/wildschweinschinken-mit-steinpilzen-und-eigelb/
https://krautjunker.com/2021/01/16/gebackenes-rehkitz-mit-sauce-tatar/
https://krautjunker.com/2021/01/15/nervennahrung-wildes-hirn/